(kunid) Der renommierte Demograph Rainer Münz berät u.a. die EU-Kommission – er setzt sich etwa auch dafür ein, dass hierzulande spezielle Vorsorgeprodukte für unselbständig Erwerbstätige geschaffen werden, etwa in Form breit gestreuter Aktienfonds. Im Gespräch skizziert er, wie man als Privatperson seinen Lebensstandard halten kann – und welche Vorsorgeprodukte sich hierzu empfehlen.

Vorneweg zur Demographie in Österreich: Welche Entwicklung erleben wir gerade?

Rainer Münz: Die demographische Entwicklung Österreichs ist geprägt durch eine hohe und wachsende Lebenserwartung und eine niedrige Kinderzahl pro Familie. Das bedeutet in Summe: eine wachsende und zugleich alternde Bevölkerung. In den kommenden Jahrzehnten werden daher deutlich mehr Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden und in Pension gehen. Zugleich rücken weniger junge Leute mit frischem Wissen aus dem heimischen Bildungssystem auf den Arbeitsmarkt nach.

Könnte hier die betriebliche und die private Pensionsvorsorge eine Antwort auf unser Problem sein?

Rainer Münz: Die Mehrzahl der unselbständig Erwerbstätigen Österreichs ist in mittleren und kleineren Betrieben (KMUs) beschäftigt. Nur sehr wenige KMUs bieten eine betriebliche Vorsorge. Dadurch ist die Reichweite dieser Form der Vorsorge eingeschränkt. Private Vorsorge hat zwei Hürden: Zum einen gibt es etliche Erwerbstätige, die nicht genug verdienen, um für das Alter Geld beiseite zu legen. Zum anderen brauchen wir simple Vorsorgeprodukte, die es Kleinsparern ermöglichen, langfristig von der Entwicklung der Aktienmärkte zu profitieren. Ein Teil des bestehenden Angebots vermehrt das angesparte Kapital nicht ausreichend.

Können Sie dazu bitte ein Beispiel geben?

Rainer Münz: Wer ab dem Alter von 25 Jahren jedes Monat 100 € in einen breit gestreuten Aktienfonds investiert, hat bis zum Alter von 60 Jahren voraussichtlich 110.000 € angespart. So manches angebotene Vorsorgeprodukt schneidet im Vergleich schlechter ab.

Und wo sehen Sie Alternativen zur betrieblichen bzw. privaten Pensionsvorsorge?

Rainer Münz: Die große Mehrzahl erwirbt derzeit im Laufe des Lebens einen Pensionsanspruch. Eine darüber hinausgehende Vorsorge ist zurzeit vor allem auf Beschäftigte in größeren Betrieben sowie auf Personen mit mittleren und höheren Einkommen beschränkt. Für viele bleibt daher der Erwerb von Wohnungseigentum oder der Bau eines Eigenheims ein wichtiger Beitrag, um im Alter nicht durch Mietzahlungen belastet zu sein. An die Stelle des Ansparens von Kapital für das Alter tritt das Abzahlen des Immobilienkredits.

Wieder zurück zum Spannungsfeld Demographie-Vorsorge: Was halten Sie von der Koppelung der Pensionsleistungen an das Pensionsantrittsalter?

Rainer Münz: Die Leistungen der Pensionsversicherungen sind schon jetzt von der Zahl der Beitragsjahre und der Höhe der geleisteten Beiträge abhängig. Allerdings gibt es durch die Ausgleichszulage auf sehr kleine Pensionen eine Grenze nach unten. Zugleich verringert sich die Höhe der Pension bei vorzeitigem Pensionsantritt. Nicht gelöst ist allerdings das Problem, dass die Lebenserwartung deutlich rascher steigt als das faktische Pensionsantrittsalter.

Das schwedische Modell wird vielerorts als Best Practice zitiert. Was können wir also von den Schweden lernen?

Rainer Münz: Von Schweden können wir dreierlei lernen. Erstens: Eine umlagefinanzierte und eine kapitalgedeckte Säule lassen sich in der gesetzlichen Pensionsversicherung verbinden. Zweitens: Eine Koppelung der Pensionshöhe sowohl an das Antrittsalter als auch an die durchschnittliche Lebenserwartung stabilisiert langfristig das System. Und Drittens: Arbeitnehmern ab 60 Jahren die Wahl zu lassen, in welchem Alter sie in Pension gehen möchten, lässt wesentlich mehr Wahlfreiheit zu als ein System mit fixem gesetzlichem Pensionsalter.

Zuletzt: Wie wirkt sich die Einwanderung auf unsere sozialen Systeme aus?

Rainer Münz: Die Mehrzahl der Zuwandernden kommt aus anderen EU-Staaten nach Österreich. Sie werden in der Regel erwerbstätig und leisten einen finanziellen Beitrag. Damit erwerben sie auch einen Anspruch auf spätere Leistungen. Asylwerber hingegen sind während des Verfahrens fast ausschließlich auf staatliche Leistungen angewiesen, da sie nicht arbeiten dürfen. Seit neuestem ist es ihnen auch nicht erlaubt, eine Lehrausbildung zu beginnen. Bei anerkannten Flüchtlingen, die in den Jahren 2015 bis 2017 zu uns kamen, beginnt der Prozess der Integration ins Erwerbsleben anzulaufen. Jene, die noch keine Arbeit haben, beziehen in der Regel Mindestsicherung.