Ein Gerichtsfall zeigt, wann Radfahrer einen Fahrradhelm aufsetzen müssen, um nicht zu riskieren, dass sie bei einem Unfall ein Mitverschulden an einem selbst erlittenen Personenschaden erhalten.

3.8.2015 (kunid) Fahrradfahrer, die bei einem Unfall eine Kopfverletzung erleiden, müssen sich nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn sie keinen Helm getragen haben (GZ: 2Ob99/14v). Das gilt zumindest dann, wenn sie mit einem Rennrad unterwegs waren.

Zwei Radfahrer fuhren 2008 mit ihren Rennfahrrädern mit circa 35 km/h auf der Bundesstraße ohne einen Radhelm zu tragen. Infolge einer Fehleinschätzung dachte eine 85-jährige Frau, dass sie die Fahrbahn noch vor den Radfahrern überqueren könne. Der erste Radfahrer musste stark bremsen, der Hintermann, der in seinem Windschatten fuhr, prallte auf ihn auf, stürzte und erlitt schwere Schädelverletzungen mit Dauerfolgen.

Rechtsstreit

Der verletzte Radfahrer begehrte laut Obersten Gerichtshof (OGH) Schadenersatz sowie die Feststellung, dass ihm die Frau für alle künftigen Schäden aus dem Unfall im Ausmaß von zwei Dritteln hafte. Der Radfahrer argumentierte laut OGH, dass die Frau unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt die Fahrbahn überquert habe. Das Nichttragen eines Fahrradhelms verstoße gegen keine gesetzliche Verpflichtung und begründe kein Mitverschulden.

Die Seniorin wandte laut OGH ein, den Radfahrer treffe das überwiegende Verschulden am Zustandekommen des Unfalls: Er habe einen zu geringen Abstand zu seinem Vordermann eingehalten und das Gebot des Fahrens auf Sicht verletzt.

Die schweren Verletzungen wären bei Verwendung eines Fahrradhelms unterblieben, das Feststellungsbegehren bestehe nicht zu Recht. Es sei von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 3:1 zu seinen Lasten auszugehen. Die Vorinstanzen teilten das Verschulden 2:1 zulasten der Frau. Sie vertraten die Ansicht, dass das Nichttragen eines Fahrradhelms kein weiteres Mitverschulden des Klägers begründe, so der OGH.

„Sportlich ambitionierte Radfahrer“

Das Berufungsgericht habe bereits, so der OGH, den Terminus „Rennradfahrer“ für das Unfallopfer verwendet. Die beiden Radfahrer seien mit Rennfahrrädern gefahren und mit einem Rennrad-Dress bekleidet gewesen. Im Zusammenhang damit liefern laut OGH die Feststellungen über die Bremsausgangs-Geschwindigkeit (35 km/h) und das „Windschattenfahren“ einen ausreichenden Beleg dafür, dass sie sich – wie auch im Sinne der deutschen Rechtsprechung – „sportlich ambitioniert“ betätigten.

Das spätere Unfallopfer habe sich dabei einem besonderen Risiko, dem des Auffahrens auf seinen Vordermann, ausgesetzt. Der OGH hält die in der Rechtsprechung deutscher Obergerichte wie die des Oberlandesgerichts München (Az.: 24 U 384/10) bejahte Helmpflicht für „sportlich ambitionierte“ Radfahrer, die sich dabei besonderen Risiken aussetzen, auch für Österreich für sachgerecht.

Die Fahrweise, bei der die Erzielung hoher Geschwindigkeiten im Vordergrund stehe, beinhalte demnach naturgemäß ein gesteigertes Unfallrisiko und damit eine beträchtliche Steigerung der Eigengefährdung, insbesondere die Gefahr schwerer Kopfverletzungen. Für das Jahr 2008, in dem sich der Unfall ereignete, konnte von einem „allgemeinen Bewusstsein der beteiligten Kreise“ in Österreich ausgegangen werden, dass der „Einsichtige und Vernünftige“ wegen der erhöhten Eigengefährdung bei Fahrten unter rennmäßigen Bedingungen einen Radhelm trägt, so der OGH.

Obliegenheit zum Tragen eines Radhelms

Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich laut OGH, dass das Unfallopfer die Obliegenheit zum Tragen eines Radhelms traf. Die Verletzung dieser Obliegenheit war für seine schweren Kopfverletzungen und die daraus resultierenden Dauer- und Spätfolgen kausal, so der OGH in seiner Erkenntnis (GZ: 2Ob99/14v).

Das Nichttragen eines Fahrradhelms sei ihm daher unter den konkreten Umständen als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen, was zu einer Kürzung seines Ersatzanspruchs führe.

Der Anspruch des Unfallopfers errechne sich aus der Summe des gekürzten Schmerzengeldes für die vermeidbaren Folgen und des fiktiven Schmerzengeldes für die unvermeidbaren Folgen des Unfalls. Der Ersatzanspruch wurde, so der OGH, um einen weiteren Mitverschuldensanteil von 25 Prozent gekürzt.

Jeder Radler sollte zur eigenen Sicherheit einen Helm tragen

Normalerweise kennt die österreichische Rechtsordnung keine allgemeine Helmpflicht für Radfahrer – einzige Ausnahme, Kinder bis zum 12. Lebensjahr müssen einen Fahrradhelm tragen. Doch gemäß dem genannten Urteil sollten auch Rennfahrer einen Radhelm tragen, um bei einem Unfall nicht eine Mitverantwortung für möglicherweise erlittene Verletzungen zu erhalten.

Übrigens, so ist dem OGH-Urteil zu entnehmen, wird bei Kindern, die trotz Helmpflicht keinen Radhelm tragen und sich bei einem Verkehrsunfall verletzen, kein Mitverschulden gemäß Paragraf 68 Absatz 6 Straßenverkehrsordnung angerechnet.

Grundsätzlich sollten jedoch alle Radfahrer, egal ob Kinder oder Erwachsene und egal ob sie schnell oder langsam unterwegs sind, einen Fahrradhelm aufsetzen – auch wenn die zu fahrende Strecke noch so kurz ist. Diverse Studien zeigen nämlich, dass das Tragen eines Fahrradhelmes das Risiko, schwere Kopfverletzungen zu erleiden – eine der vorrangig todesursächlichen Verletzungen bei Radfahrern –, um rund die Hälfte senkt.