Immer wieder kommt es vor, dass Wanderer von Kühen angegriffen werden. Inwieweit der Bauer, dem die betreffenden Tiere gehören, im Falle des Falles haften muss, zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil.

26.5.2015 (kunid) Eine Mutterkuh verletzte eine Wanderin, die mit zwei Hunden auf einer Alm unterwegs war. Die Frau verklagte deswegen den Bauern und den Almbesitzer auf Schadenersatz. Sie hätten die Kühe mit einem Zaun vom Wanderweg fernhalten müssen, die aufgestellten Warnschilder seien ihrer Ansicht nach nicht ausreichend. Der Oberste Gerichtshof hielt fest: Mit dem Warnschild sei gerade vor der hier verwirklichten Gefahr gewarnt worden. Die Landwirtschaft dürfe nicht durch Überspannung der Anforderungen an die Verwahrung von Rindern unbillig belastet werden. Die freie Haltung von Rindern auf der Alm sei üblich.

Eine Frau wanderte mit ihrem Mann und zwei Jagdhunden auf einem Weg, der zwischen zwei Gasthäusern lag und über eine Almweide führte. Auf dieser Weide standen 16 Mutterkühe und 15 Kälber. Es waren bei beiden Zugängen Warnschilder – „Achtung Mutterkühe! Mitführen von Hunden auf eigene Gefahr“ – angebracht.

Tatsächlich wurde die Wanderin von einer Kuh attackiert und dabei verletzt. Die Frau forderte Schadenersatz vom Bauern und dem Almbesitzer: Diese hätten ihrer Meinung nach der Pflicht zur sicheren Verwahrung der Kühe durch Aufstellung eines Warnschilds nicht ausreichend entsprochen und die Kühe mit einem Zaun vom Wanderweg fernhalten müssen. Schon ein Jahr zuvor war auf dieser Weide ein Wanderer, der einen Hund mitführte, durch Kühe des Bauern verletzt worden, wovon sowohl der Landwirt als auch der Almbesitzer zum Zeitpunkt des aktuellen Unfalls wussten.

Revision zugelassen

Erst- und Zweitgericht wiesen jedoch die Klage ab. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH). Das Berufungsgericht hielt laut OGH fest, dass die einschlägige Judikatur, also bisherige Gerichtsentscheide, sich dahingehend zusammenfassen lasse, dass keine Verpflichtung bestehe, einen Weg, der durch eine Kuhweide führe, durch Zäune vom Weidegebiet abzugrenzen.

Weiters habe es festgehalten, dass aggressive Tiere gesondert zu verwahren seien und dass nach einem Vorfall, bei dem Mutterkühe auf Hunde aggressiv reagierten, „zumindest“ eine Warnung durch Aufstellen eines Schildes geboten sei. Daher wurde nachträglich die Revision zugelassen.

Die Begründung: Derartige Zwischenfälle kämen vermehrt vor und dem Fremdenverkehr in Österreich große Bedeutung zu. Der körperlichen Unversehrtheit von Menschen sei besondere Priorität einzuräumen. Gerade im Bereich von Gasthäusern sei mit einer entsprechenden Frequenz eines Wanderwegs – auch von Wanderern mit Hunden – zu rechnen. Daher wäre eine Fortentwicklung der Rechtsprechung – oder eine Klarstellung der bisherigen – in die Richtung möglich, dass in derartigen Fällen das bloße Aufstellen eines Warnschildes doch nicht ausreiche.

Landwirtschaft nicht unbillig belasten

Der OGH wies jedoch die Revision zurück und verwies darauf, dass sich die Entscheidungen der Vorinstanzen im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen halten. Das Berufungsgericht habe die wesentlichen Grundsätze der Tierhalterhaftung auf einer Kuhweide zutreffend dargestellt.

Zudem spiele nach der Rechtsprechung die Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung bei der Prüfung, welche Verwahrung erforderlich sei, eine Rolle. Jede Möglichkeit einer Schädigung müsse aber nicht auszuschließen sein. Die im allgemeinen Interesse liegende Landwirtschaft dürfe nicht durch Überspannung der Anforderungen unbillig belastet werden.

Dass selbst im Fall, dass bereits vorher einschlägige Unfälle passiert seien, jedenfalls ein Einzäunen der Kühe beziehungsweise des Wegs geboten wäre, lasse sich aus einer früheren Entscheidung (3 Ob 110/07h vom 28. Juni 2007) nicht ableiten. Dort sei dem Rinderhalter die Unterlassung eines Warnschilds mit praktisch demselben Wortlaut vorgeworfen worden; im Übrigen sei aber auf die „sonst ortsübliche freie Haltung von Rindern auf der Alm (also ohne Einzäunung oder sonstige Maßnahmen)“ hingewiesen worden.

Ortsübliche Haltung

Weiters hielt der OGH fest: Es stehe nicht fest, dass die Kühe im aktuellen Fall an sich – also ohne Begegnung mit Hunden – „aggressive Tiere“ seien. Der OGH habe zwar in der genannten Entscheidung aus dem Jahre 2007 ausgeführt, es treffe nicht zu, dass jedermann wisse, dass angeleinte Hunde auf Almwanderungen Rinder zu aggressivem Verhalten reizten. Im aktuellen Fall sei aber durch das angebrachte Warnschild gerade auf diese Gefahr hingewiesen worden, sodass sich die Wanderin auf ihre diesbezügliche allfällige Unkenntnis nicht berufen könnte.

Überdies sei auch von Hundehaltern zu verlangen, dass sie gemäß Paragraf 1320 ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch) über die mit dem Halten von Hunden (der jeweiligen Rasse) typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen. Es muss, so der OGH, mit dem Warnschild nicht noch zusätzlich – wie die Wanderin meinte – auf die „Lebensgefahr“ hingewiesen werden. Auf dem Warnschild werde auf die von den Mutterkühen ausgehende Gefahr ausreichend hingewiesen.

Dass ein Angriff einer ausgewachsenen Kuh unter Umständen lebensgefährlich sein könnte, verstehe sich aufgrund deren von der Wanderin selbst ins Treffen geführter „gewaltiger Erscheinung“ mit einem Gewicht von rund 750 Kilogramm je Kuh von selbst. Die Rechtsprechung, wonach die Verwahrung eines Tieres in unmittelbarer Nähe einer stark frequentierten Straße besonders sorgfältig erfolgen müsse, sei hier nicht einschlägig: Der Wanderweg, der ein landwirtschaftlicher Bringungsweg sei, sei keine stark frequentierte Straße, so der OGH in seinem Erkenntnis (2 Ob 25/15p).