In einem Urteil hat der Oberste Gerichtshof aufgezeigt, wann die gesetzliche Pensionsversicherung eine Berufsunfähigkeits-Pension und nicht nur ein zeitlich befristetes Rehabilitationsgeld gewähren muss.
22.2.2016 (kunid) Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes muss eine unbefristete Berufsunfähigkeits-Pension zugestanden werden, wenn eine voraussichtlich dauerhafte Invalidität beziehungsweise Berufsunfähigkeit vorliegt. Dies ist der Fall, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit einer die Invalidität beziehungsweise Berufsunfähigkeit beseitigenden Besserung des Leidenszustandes zu rechnen ist. Ob eine sehr unwahrscheinliche, aber nicht ganz auszuschließende Spontanheilung möglich sei, spiele dabei keine Rolle.
Die Pensionsversicherungs-Anstalt (PVA) lehnte einen Antrag eines 1975 geborenen ehemaligen Angestellten auf Weitergewährung der befristeten Berufsunfähigkeits-Pension ab. Die Begründung: Es liege weiterhin eine vorübergehende Berufsunfähigkeit vor.
Daher sei als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Verlauf weiterer Therapien abzuwarten. Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation seien nicht zweckmäßig. Es bestehe für die weitere Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung.
Austherapiert
Dagegen wehrte sich der Betroffene und bekam letztendlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) recht. Die vollständige Arbeitsunfähigkeit des ehemaligen Angestellten beruhe auf einer psychischen Erkrankung. Die Krankheit ist sowohl medikamentös als auch durch andere Therapien „austherapiert“, so der OGH. Zu hoffen sei lediglich auf eine spontane Verbesserung der Krankheitssituation, weil nicht auszuschließen sei, dass sich Verbesserungen durch Spontanereignisse im Laufe der Jahre ergeben könnten. Insofern müsse also nicht von einem Dauerzustand gesprochen werden.
Klammere man jedoch diese nicht absehbaren Spontanverläufe aus, so müsse unter Berücksichtigung nur der therapeutischen Behandlungsmaßnahmen mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Verbesserung des Leistungskalküls ausgeschlossen werden. Die Vorinstanzen verpflichteten die PVA zur (unbefristeten) Weitergewährung der Berufsunfähigkeits-Pension. Der OGH bestätigte diese Entscheidung in seiner Erkenntnis 10ObS40/15b. Laut OGH sei hier die neue Rechtslage nach dem Sozialrechtsänderungs-Gesetz 2012 (SRÄG 2012) anzuwenden.
Nur eine vorübergehende …
Nach dieser Rechtslage gebühre beim Vorliegen einer geminderten Arbeitsfähigkeit Versicherten, die ab 1964 geboren sind, anstelle einer befristeten Pension grundsätzlich – als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung – ein Rehabilitationsgeld. Sofern die Anspruchs-Voraussetzungen für diese Leistung vorlägen und nicht stattdessen ein Umschulungsgeld in Verbindung mit beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation infrage kommen.
Eine Voraussetzung für den Anspruch auf Rehabilitationsgeld sei, dass eine vorübergehende geminderte Arbeitsfähigkeit im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliege und zudem berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar sind. Nach der Rechtslage im vorliegenden Fall ist eine Voraussetzung für die Berufsunfähigkeits-Pension, dass die Berufsunfähigkeit „aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustandes voraussichtlich dauerhaft vorliegt“.
Dies sei dann der Fall, wenn eine Besserung des Gesundheitszustands des Versicherten nicht zu erwarten sei. Der Gesetzgeber unterscheidet demnach (wieder) zwischen vorübergehender und dauerhafter geminderter Arbeitsfähigkeit bei den Anspruchs-Voraussetzungen und ist vom Konzept der grundsätzlichen Befristung von Leistungen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit abgegangen. So die Aussage des OGH.
… oder eine voraussichtlich dauerhaft geminderte Arbeitsfähigkeit
Gemäß Paragraf 271 ASVG (Allgemeines Sozialversicherungs-Gesetz) müsse die Berufsunfähigkeit nicht dauerhaft, sondern nur voraussichtlich dauerhaft, also nicht mit Gewissheit, sondern nur wahrscheinlich vorliegen. Die bloß mögliche Besserung des die geminderte Arbeitsfähigkeit verursachenden Zustands genüge nicht mehr, um das Vorliegen dauerhaft geminderter Arbeitsfähigkeit verneinen zu können.
Es ist im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem Sozialrechtsänderungs-Gesetz 2012 nicht mehr erforderlich, dass eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Versicherten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss.
Der Versicherte muss demnach nur beweisen, dass eine Besserung seines Gesundheitszustands nicht sehr wahrscheinlich ist, damit feststeht, dass die Berufsunfähigkeit (Invalidität) „voraussichtlich dauerhaft“ vorliegt, so der OGH. Dieser Beweis sei dem ehemaligen Angestellten gelungen. Es stehe zwar fest, dass eine Besserung des Gesundheitszustands (durch Spontanereignisse im Laufe der Jahre) eintreten könnte, der Eintritt eines solchen Ereignisses sei aber „nicht absehbar“.
Persönliche Absicherung
Prinzipiell müssen jedoch Betroffene, auch wenn sie eine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeits-Pension zugesprochen bekommen, mit erheblichen finanziellen Einbußen rechnen.
Denn diese gesetzlichen Leistungen reichen in der Regel bei Weitem nicht aus, um den durch den Gesundheitszustand bedingten Einkommensverlust auszugleichen.
Die private Versicherungswirtschaft bietet zahlreiche Lösungen an, um sowohl einen fehlenden gesetzlichen Versicherungsschutz als auch die durch Unfall oder Krankheit auftretenden Einkommenslücken, die trotz einer zuerkannten Berufsunfähigkeits-Pension entstehen, abzusichern. Zu nennen ist hier unter anderem eine private Erwerbs- oder Berufsunfähigkeits-Versicherung.