Warum ein Unternehmer peinlichst genau auf einen ausreichenden Arbeitsschutz achten sollte, zeigt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.

4.4.2016 (kunid) Ein Arbeiter war beim Schaufeln in eine ungesicherte Umlenkrolle einer Schottersiebanlage geraten. Die Krankenkasse forderte daraufhin vom Unternehmen Ersatz für erbrachte Leistungen. Sie argumentierte, ein Schutzgitter hätte den Unfall verhindern können. Dass ein solches gefehlt habe, sei als grobe Fahrlässigkeit des Unternehmens zu werten. Dafür müsse das Unternehmen haften. Dem schlossen sich sowohl die Instanzen als auch der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung (Az.: 9ObA102/11g) an.

Ein Arbeiter geriet beim Schaufeln in eine ungesicherte Umlenkrolle einer Schottersiebanlage und erlitt einen Arbeitsunfall, bei dem sein linker Arm schwer verletzt wurde. Die für den Arbeiter zuständige Niederösterreichische Gebietskrankenkasse vertrat den Standpunkt, dass der Arbeitsunfall durch grobe Fahrlässigkeit des Arbeitgebers verursacht worden sei und dieser deshalb für die entstandenen Kosten haften müsse.

Die Kasse forderte deshalb auf Basis von Paragraf 334 Absatz 1 ASVG (Allgemeines Sozialversicherungs-Gesetz) Ersatz von dem Arbeitgeber für Leistungen, die sie an beziehungsweise für den verletzten Arbeiter erbracht hatte. Der Fall landete schließlich vor Gericht.

Erst- und Zweitinstanz entscheiden für Unternehmenshaftung

Erste Instanz und Berufungsgericht gingen davon aus, dass das Unternehmen den Arbeitsunfall durch grobe Fahrlässigkeit verursacht habe. Folglich gaben sie der Klage der Gebietskrankenkasse statt. Der Arbeitgeber wandte sich jedoch mit einer außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof (OGH). Das Unternehmen bestritt darin die Annahme grober Fahrlässigkeit und forderte die Berücksichtigung der Mitverantwortlichkeit des Arbeiters.

Das Argument des Arbeitgebers: Wenn der Arbeitgeber nicht mit einem Verhalten des Arbeitnehmers zu rechnen brauche, das zum Unfall führe, könne man nicht von grober Fahrlässigkeit ausgehen. Es sei von der alleinigen Verantwortung des verletzten Arbeitnehmers auszugehen.

Doch das OGH entschied, dass die mangelnde Sicherung der Umlenkrolle durch ein Schutzgitter „grundsätzlich eine dem Arbeitgeber zurechenbare Verletzung der einschlägigen Arbeitnehmer-Schutzvorschriften darstellt“.

Oberster Gerichtshof stellt sich hinter die Vorinstanzen

Richtigerweise habe das Berufungsgericht festgestellt, dass die Übertretung von Unfallverhütungs-Vorschriften noch nicht per se ein grobes Verschulden begründe. „Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber jene Aufmerksamkeit außer Acht gelassen hat, die in einem Betrieb der in Betracht kommenden Art im Interesse der Unfallverhütung erwartet werden muss …“, so der OGH.

Es stehe fest, dass die Anlage nur bei großen Wartungsarbeiten abgeschaltet worden sei. „Bei den üblichen Kontrollrundgängen des später Verletzten und wenn nicht zu viel Dreck wegzuschaufeln war, blieb die Anlage in Betrieb.“ Dass es nach der Art des Betriebs der Anlage – früher oder später – durch Unachtsamkeit zu einem ungewollten Kontakt mit der laufenden ungesicherten Umlenkrolle kommen könne, „ist daher nicht etwas, womit die Beklagte ‚überhaupt nicht rechnen musste‘“.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass das Unternehmen nach der Lage des Falls mangels Sicherung durch ein Schutzgitter grobe Fahrlässigkeit zu verantworten habe, sei daher nicht unvertretbar.

OGH entscheidet auf Zurückweisung

Die Annahme, dass das Unternehmen diesen Arbeitsunfall durch grobe Fahrlässigkeit verursacht habe, weiche auch nicht von der einschlägigen Rechtsprechung des Höchstgerichts ab. Der OGH verwies auf frühere Entscheidungen. In diesen hatte der OGH festgehalten, dass „Paragraf 334 Absatz 3 ASVG nicht ausschließt, dass bei der Beurteilung der Frage, ob der auf Ersatz in Anspruch Genommene grob fahrlässig gehandelt habe, das Verhalten des Versicherten mitberücksichtigt wird“. Dieser Grundsatz sei vom Berufungsgericht ohnehin zugrunde gelegt worden.

Letztlich, so der OGH, sei aber entscheidend, „dass im vorliegenden Fall kein so gravierendes Mitverschulden des Verletzten hervorgekommen ist, das etwas am hervorgekommenen groben Verschulden des Arbeitgebers ändern würde“. Der Umstand, dass in anderen Fällen der zu entscheidende Sachverhalt die Beurteilung zuließ, dass ein Schaden noch nicht als wahrscheinlich angesehen werden konnte, unterstreiche die Einzelfallbezogenheit der Beurteilung des Verschuldensgrades.

Für den Standpunkt des Unternehmens bei der Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts sei daraus aber nichts Entscheidendes zu gewinnen. Demnach muss das Unternehmen der Krankenkasse die entstandenen Kosten ersetzen.

Absicherungs-Möglichkeiten eines Arbeitgebers

Übrigens: Eine bestehende Betriebshaftpflicht-Versicherung wehrt für den Arbeitgeber unberechtigte oder überhöhte Forderungen, die dieser fahrlässig oder grobfahrlässig verursacht haben soll, ab.

Berechtigte Forderungen, die der Arbeitgeber nicht vorsätzlich verursacht hat, werden von einer entsprechenden Polizze zudem übernommen.

Dies gilt in der Regel auch für die Rückforderungen von Sozialversicherungen aufgrund eines fahrlässigen oder grob fahrlässigen Fehlverhaltens im Bereich des Arbeitsschutzes durch den Arbeitgeber. Jedoch meist nur, sofern ein Arbeitsunfall seitens des Arbeitgebers nicht billigend in Kauf genommen beziehungsweise die Verfehlung aus zeit- und kostensparenden Gründen vorgenommen oder vom Dienstgeber angeordnet wurde.