Ein aktuelles Urteil des Obersten Gerichtshofes ermöglicht Versicherten bezüglich der Anerkennung von Berufskrankheiten eine Klagemöglichkeit, die so bisher nicht möglich war, und schließt damit eine bis dahin bestehende Rechtsschutzlücke.

25.4.2016 (kunid) Für die Entscheidung, ob eine Krankheit im Einzelfall als Berufskrankheit anerkannt wird, war laut bisheriger Rechtsprechung der jeweilige Unfallversicherungs-Träger alleine zuständig. Nun änderte der Oberste Gerichtshof dies: Gegen die bescheidmäßige Ablehnung der Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit durch den Unfallversicherungs-Träger kann ein Betroffener nun beim Arbeits- und Sozialgericht klagen. Dieses Gericht hat dann im Einzelfall zu prüfen, ob eine Krankheit nicht doch als Berufskrankheit anzuerkennen ist.

Wer unter einer Berufskrankheit leidet, hat unter Umständen Anspruch auf Leistungen wie eine Heilbehandlung, Rehabilitations-Maßnahmen oder eine Rente wegen einer beruflich bedingten eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit aus der sozialen Unfallversicherung. Eine Krankheit gilt gemäß Paragraf 177 ASVG (Allgemeines Sozialversicherungs-Gesetz) im Sinne der sozialen Unfallversicherung nur dann als Berufskrankheit, wenn sie in der Anlage 1 des ASVG aufgeführt ist und durch eine Tätigkeit in einem darin genannten Unternehmen verursacht wird.

Des Weiteren heißt es in Paragraf 177 ASVG: „Eine Krankheit, die ihrer Art nach nicht in Anlage eins zu diesem Bundesgesetz enthalten ist, gilt im Einzelfall als Berufskrankheit, wenn der Träger der Unfallversicherung auf Grund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse feststellt, dass diese Krankheit ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung schädigender Stoffe oder Strahlen bei einer vom Versicherten ausgeübten Beschäftigung entstanden ist; diese Feststellung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales.“

Bisherige Rechtsprechung

Laut der bisherigen Rechtsprechung war für die Entscheidung, ob eine Krankheit, die nicht in der Anlage 1 des ASVG aufgeführt ist, im Einzelfall als Berufskrankheit anzuerkennen ist, ausschließlich der jeweilige Unfallversicherungs-Träger zuständig. Diese Frage konnte bisher auch nicht in einem sozialgerichtlichen Verfahren geklärt werden, wenn der Unfallversicherungs-Träger eine Krankheit nicht als Berufskrankheit anerkannte. Mit einem aktuellen Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) hat sich dies nun geändert.

Der OGH änderte in Zusammenhang mit der bescheidmäßigen Ablehnung der Anerkennung einer Krankheit als konkrete Berufskrankheit durch den Unfallversicherungs-Träger seine bisherige Rechtsprechung ab. Im konkreten Gerichtsfall litt ein gelernter Koch an einer Fructose-, Lactose- und Histaminintoleranz. Die AUVA als zuständiger Unfallversicherungs-Träger lehnte es ab, dies als eine Berufskrankheit anzuerkennen, da eine Fructose-, Lactose- und Histaminintoleranz nicht als anerkannte Berufskrankheit in der Anlage 1 zum ASVG aufgeführt ist.

Der Koch klagte dagegen. Doch das Erst- und Zweitgericht wiesen seine Klage ab. Sie bezogen sich dabei auf die ständige Rechtsprechung des OGH. Bisher galt: Für die Entscheidung, ob eine nicht in der Anlage 1 zum ASVG enthaltene Krankheit im Einzelfall als Berufskrankheit anerkannt wird, ist laut bisheriger Rechtsprechung des OGH der Unfallversicherungs-Träger zuständig. Diese Frage könne daher auch nicht als Vorfrage in einem sozialgerichtlichen Verfahren geprüft werden. Der Koch legte gegen die Entscheidung eine Revision ein. Der Fall wurde daher vor dem OGH verhandelt.

Neue Klagemöglichkeit zugelassen

Der OGH änderte seine bisherige Rechtsprechung. Laut Urteil eröffne nun eine bescheidmäßige Ablehnung der Anerkennung einer Krankheit als konkrete Berufskrankheit durch den Unfallversicherungs-Träger die Klage vor dem Arbeits- und Sozialgericht gemäß Paragraf 67 Absatz 1 Z 1 ASGG (Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz). Im sozialgerichtlichen Verfahren sei eine Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer konkreten Berufskrankheit sei, oder ein daraus abgeleiteter Leistungsanspruch nicht von einer Zustimmung des Bundesministers für Gesundheit abhängig.

Vielmehr habe das Arbeits- und Sozialgericht eigenständig nach den Vorgaben des Paragrafen 177 ASVG, insbesondere auf der Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse zu prüfen, ob im Einzelfall eine Krankheit ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung schädigender Stoffe oder Strahlen bei einer vom Versicherten ausgeübten Beschäftigung entstanden ist.

In diesem Sinn seien die Entscheidungen der Vorinstanzen, die Klage abzuweisen, zur neuerlichen Beurteilung durch das Erstgericht aufzuheben, so der OGH. Durch die Änderung der Rechtsprechung ist laut OGH eine Rechtsschutzlücke für die Versicherten geschlossen worden. Die kürzlich getroffene Entscheidung des OGH 10ObS125/15b steht im Rechtsinformations-System des Bundeskanzleramts im Volltext zur Verfügung.

Wenn der gesetzliche Schutz nicht ausreicht

Besteht der Verdacht, dass eine Berufskrankheit besteht, muss der Arzt oder der Arbeitgeber dies dem zuständigen Unfallversicherungs-Träger, im Falle eines Arbeitnehmers oder Selbstständigen der Allgemeinen Unfallversicherungs-Anstalt (AUVA) mit einem entsprechenden Formular melden. Entsprechend den gesetzlichen Regelungen gibt es jedoch einige Hürden, damit eine Krankheit auch als Berufskrankheit anerkannt wird. Und selbst wenn eine Anerkennung erfolgt, muss man bei einer Erwerbsminderung mit Einbußen im Vergleich zum bisherigen Einkommen rechnen.

Die private Versicherungswirtschaft bietet zahlreiche Lösungen an, um einen fehlenden oder unzureichenden gesetzlichen Versicherungsschutz und in der Folge die eventuell durch Unfall oder Krankheit auftretende Einkommenslücke abzusichern. Zu nennen sind hier eine private Unfall- sowie eine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeits-Versicherung. Ein Versicherungsfachmann hilft, den individuell passenden Versicherungsumfang zu finden.

Übrigens: Wer sich gegen einen negativen Bescheid des Unfallversicherungs-Trägers ohne Kostenrisiko gerichtlich wehren möchte, erhält mit einer bestehenden Privatrechtschutz-Versicherung, die einen Sozialversicherungs-Rechtsschutz enthält, eine entsprechende Absicherung. Prinzipiell wichtig ist, dass man beim ersten Anwaltstermin die Polizze vorlegt, damit dieser eine Leistungszusage für den entsprechenden Rechtsstreit einholen kann. So hat man die Sicherheit, dass die Kosten übernommen werden.